PLATTENBAU

  • Carloff Wiltner
  • Lesedauer: 3 Min.

Paul Weller kann machen, was er will: Er kann rocken, jazzen, soulen, er kann Funk und Beat, und er kann auch alles gleichzeitig. Er kann hot sein oder cool, rau oder zart. Er kann wild improvisieren oder ausgefuchst arrangieren. Er kann brüllen und sich einschmeicheln, anprangern oder seinen Frieden mit der Welt schließen. Doch egal, was er macht, er kommt immer in die Schubladen »Mod-Ikone« oder »Godfather of Britpop«.

Nun ist er 50 geworden und hat mit dem Album »22 Dreams« sein Alterswerk eingeläutet. Und ich finde, es ist an der Zeit, dem guten Paul Weller mal einen neuen Stempel auf die Stirn zu drücken. Mich erinnert »22 Dreams« an Prince zu seinen besten Zeiten. Sicher: Er ist nicht so lasziv und auch nicht so theatralisch wie Prince zum Ende der Achtziger, aber die musikalische Neugier ist absolut vergleichbar. Und die Beiläufigkeit, mit der er sich alles zu eigen macht, ist naiv im besten Sinne. Denn bei keinem Stück des Albums hegt man einen Zweifel, dass man etwas anderes als Paul Weller hören würde.

Da gibt es »Echoes Round The Sun«, zu dem er sich Noël Gallagher und Gem Archer von Oasis eingeladen hat, und mit dem er sich selbst ein echtes Britpop-Denkmal setzt. Hingeführt wird zu diesem Stück mit »A Dream Reprise«, einer kurzen rockigen Soundcollage mit griffigen Riffs. Es gibt generelle Songperlen, wie »Have You Made Up Your Mind« oder »Push It Along«, indisch wirkende Instrumentalpassagen, es gibt mit »God« ein gesprochenes Stück, und die Verbeugung vor der großen Alice Coltrane, »Song For Alice«, klingt in der Tat, als hätte man deren »Journey In Satchidananda« vor sich – nur ohne sie! Kurz: Auf »22 Dreams« gibt es viele Stücke, die man sich gezielt anhört, zu denen man sich gezielt hinprogrammiert – wer möchte, kann auch auf Vinyl seine Nadel auf diesen Songs absetzen – Weller ist Romantiker!

Doch das ist erst der zweite Schritt: Zuallererst lässt man sich gerne durch die komplette Reise der zweiundzwanzig Träume entführen, denn der dramatische Faden durch das Album ist wunderbar. Und diese Art des Hörerlebnisses, diese Herausforderung, das Album zu entdecken, das ist der Punkt, der mich an Prince’s »Around The World In A Day« oder sein »Sign Of The Times« erinnert. Es gibt die Herausforderung an den Zuhörer, und es gibt die Herangehensweise ans Musikmachen.

Beide, Prince wie auch Paul Weller, passen in keine Schublade. Auch wenn sie Musiker der alten Schule sind – oder waren –, sie machen keine alte Musik. Paul Weller geht einen Schritt weiter: Er macht Paul Weller. Und da man beim Reden über Musik ohne Schubladen schwer auskommt: Paul Weller ist die britische Version von Prince – nur ganz anders!

Paul Weller: 22 Dreams (Island/ Universal)

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